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Du bist doch nicht krank, sondern nur schwanger

Der Satz: „Schwangerschaft ist keine Krankheit“ ist im Laufe der Jahre einer meiner Lieblingssätze geworden. NOT! Ja, es gibt sie. Frauen, die ihre Schwangerschaft als die schönste Zeit in ihrem Leben empfinden. Und das ist großartig. Ich freue mich von ganzem Herzen für jede Frau, die eine solche Schwangerschaft erleben darf. Doch bei mir war das leider nicht so leicht. Ich habe die komplette Schwangerschaften durch Migräne gehabt, musste ständig zum Arzt, hatte mit einem heftigen Lymphödem zu kämpfen, musste die ganze Zeit über Clexane in den Bauch spritzen und obendrauf kam noch fieses Sodbrennen. Und dazu kamen Ängste und Horrovisionen. So! Meine Schwangerschaften waren die schönsten aber auch gleichzeitig schrecklichsten Zeiten meines Lebens.

Dazu kam, dass ich ein Beschäftigungsverbot bekam und deshalb nicht arbeiten durfte. Mal abgesehen davon, dass ich gar nicht arbeiten konnte, hatte ich aber auch keine Ablenkung. Durch den Verlust meines Sohnes in der 37. Schwangerschaftswoche, kann sich jeder vorstellen, wie schrecklich es war, zwei weitere Schwangerschaften durchzustehen – unter der ständigen Angst wieder ein Kind beerdigen zu müssen.

Ich weiß, ich bin ein extremer Fall. Leider. Ich hasse es, ein extremer Fall zu sein. Aber so ist nun einmal. Ich habe diese Rolle angenommen und versuche das Beste daraus zu machen. Ich habe mir die tollsten Ärzte gesucht, die ich finden konnte. Unter ihrer Aufsicht habe ich nach meinem Sternenkind versucht, zwei weitere Kinder auf die Welt zu bringen und habe es geschafft. Doch: Das war ein Kampf. Ständige Kontrollen gehörten zu meinem Alltag. Hier an dieser Stelle einen großen Dank an alle meine Ärzte. Sie alle haben einen Anteil daran, dass ich zwei gesunde Mädchen habe. Ich leide unter einer Gerinnungsstörung. Das heißt, immer wieder Blutkontrollen, Ultraschalls, Degum II-Ultraschalls, CTG, usw.

Kurzum: Meine Schwangerschaften fühlten sich nicht wirklich wie ein wunderschöner natürlicher Prozess an. Im Gegenteil. Die Natur hat meinen Sohn getötet. Ärzte retteten meine Töchter. Unter diesen Umständen haben sich meine Schwangerschaften eher wie eine Krankheit angefühlt. Vor allem wegen meiner Dauermigräne – vermutlich ausgelöst durch die Gerinngungsstörung. Ohne Schmerzmittel wäre ich verrückt geworden.

Von daher: Ich hasse den Satz „du bist schwanger und nicht krank“. Und er kommt vor allem von Männern, Frauen, die nie schwanger waren oder Frauen, die eine Bilderbuch-Schwangerschaft hatten oder denken, sie hatten eine. Es gibt nämlich auch sehr oft den Fall, dass Frauen eigentlich gar keine schöne Schwangerschaft hatten, aber es oft Jahre später denken. Klingt komisch? Ist aber so 😉

Ein typisches Gespräch:

Ich: „Puh, schwanger sein ist nicht so leicht.“ Frau: „Ja, in deinem Fall schon. Mir gings prima.“ Ich: „Echt? Gar nichts? Toll!“ Frau: „Naja, mir war schon ziemlich schlecht. Und mein Rücken. Auch der Schwangerschaftsschnupfen war schlimm. Ja. Aber sonst…“

Ich glaube einfach, das Gehirn ist darauf trainiert, alles was mit Schwangerschaften und Geburten zu tun hat, unter „Tolle Erfahrung“ abzulegen. Egal, ob es wirklich so war oder nicht. Es muss wahrscheinlich so ein, sonst würde keine Frau ein zweites Kind bekommen und jeder anderen Frau von einer Schwangerschaft abraten. Das wäre für die Zukunft der Menschheit eine Katastrophe. Selbst mir geht es so. Ich ertappe mich wieder immer dabei, dass ich an eine weitere Schwangerschaft denke. Das wird, soweit ich es beeinflussen kann, nicht passieren. Mein Körper würde wahrscheinlich keine vierte Schwangerschaft ertragen und ich habe überhaupt keine Kraft mehr dafür. Dennoch sitzt in meinem Kopf ein kleines Männchen, dass immer wieder sagt: Du musst schwanger werden. Babys sind toll und soooo schlimm war die Zeit auch nicht. Daraufhin muss ich diese Stimme anschreien: DOCH! WAR SIE! Keine Babys mehr! Und wenn diese Stimme sich schon bei mir bemerkbar machen kann, dann möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie sie eine Frau manipulieren kann, die deutlich weniger Probleme und Ängste hat wie ich.

Doch ich möchte gar nicht jammern. Es war meine Entscheidung, dass ich nach der Geburt meines Sohnes wieder schwanger werden wollte – zwei Mal. Doch eine Sache ist mir wirklich wichtig: Viele Frauen reißen sich zusammen und trauen sich nicht auszusprechen, was sie in einer Schwangerschaft bewegt. Egal, ob es Ängste, Übelkeit, Sodbrennen oder was auch immer ist. Es heißt ja immer, schwanger sein ist keine Krankheit. Also stell dich nicht so an. Das muss aufhören. Frauen leisten wirklich viel wenn sie ein Kind austragen. Liebe Umwelt: Zeigt Respekt davor. Wenn hinter euch an der Supermarktkasse eine Schwangere steht (am besten noch mit einem quengelnden Kleinkind im Wagen), dann lasst sie vor. Helft ihr, unterstützt sie. Sie wird es euch danken. Wenn ihr das im richtigen Moment macht, dann kann es sogar passieren, dass sie euch vor Dankbarkeit weinend um den Hals fällt. Darauf müsst ihr dann eben gefasst sein 😉

Es muss Schluss damit sein, dass Frauen denken, sie müssen schwanger alles leisten können: Arbeiten, den Mann glücklich machen, den Haushalt schmeißen, die anderen Kinder versorgen, mit Freunden weggehen und dann auch noch blendend aussehen und bitte nicht mehr als 12 Kg zunehmen. Das ist nicht gut fürs Kind und schon gar nicht für die Mama. Wenn eine Frau wirklich so fit ist, dass sie das alles schafft, sage ich Respekt und ziehe meinen Hut. Doch ich kenne kaum eine Frau, die das freiwillig geleistet hat, weil es ihr Freude gemacht hat. Sondern eher, weil sie dachte, es wird von ihr erwartet bzw. es auch tatsächlich von ihr erwartet wurde. Und das ist fies! Schwangere erhebt euch und sagt: Schluss! Bis hierhin und nicht weiter! Ihr seid nicht krank, aber jede Schwangerschaft ist anders und manchmal darf man sich auch krank fühlen. Das ist euer gutes Recht. Auch wenn es das Großartigste auf der Welt ist, das Kind das erste Mal zu spüren und auf dem Ultraschall zu sehen, wie es am Daumen lutscht. Ich bereue keine Schwangerschaft und würde alles wieder so tun wie ich es tat. Das wird vermutlich fast jede Mutter so sehen. Dennoch hat jede werdende Mama das Recht zu sagen: Ich liebe mein Kind, aber die Schwangerschaft war auch das Anstrengenste was ich je geleistet habe! Und jeder drumherum möge das sehen und respektieren!

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